Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz EStG kann auch von Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden, denen Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung eines Dritten erwachsen. Dies gilt auch dann, wenn die Pflege- und Betreuungsleistungen nicht im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht werden. Für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für ambulant erbrachte Pflege- und Betreuungsleistungen ist weder Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten noch in den Zahlungsvorgang ein Kreditinstitut eingebunden hat (BFH, Urteil v. 12.4.2022 – VI R 2/20; veröffentlicht am 14.7.2022).
Sachverhalt: Streitig ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für die ambulante Pflege zugunsten der nicht im Haushalt der Steuerpflichtigen, sondern in ihrem eigenen Haushalt lebenden Mutter der Klägerin gemäß § 35a EStG in der im Streitjahr 2016 geltenden Fassung. Das FA hatte einen Abzug abgelehnt, da gemäß § 35a EStG der Steuerpflichtige (selbst) eine Rechnung erhalten haben müsse. Vorliegend seien die Rechnungen jedoch an die Mutter der Klägerin gerichtet gewesen.
Das FG der ersten Instanz wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung von nicht im Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern in ihrem eigenen Haushalt lebenden Familienangehörigen seien im Rahmen von § 35a EStG nicht zu berücksichtigen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.12.2019 – 3 K 3210/19).
Die Richter das BFH hoben die Entscheidung auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:
- Pflege- und Betreuungsleistungen i.S. von § 35a Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz EStG sind insbesondere Maßnahmen der unmittelbaren Pflege am Menschen (betreffend Körperpflege, Ernährung und Mobilität) sowie Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung (wie einkaufen, kochen und reinigen der Wohnung).
- Die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz EStG kann auch von Steuerpflichtigen in Anspruch genommen werden, denen Aufwendungen für die ambulante Pflege und Betreuung eines Dritten erwachsen.
- Dies gilt auch dann, wenn die Pflege- und Betreuungsleistungen nicht im eigenen Haushalt des Steuerpflichtigen, sondern im Haushalt der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht werden.
- Für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für ambulant erbrachte Pflege- und Betreuungsleistungen ist weder Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten noch in den Zahlungsvorgang ein Kreditinstitut eingebunden hat.
Quelle: BFH, Urteil v. 12.4.2022 – VI R 2/20, NWB Datenbank